09.02.47: Steine im Brette bei Gott


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):





Radauti 9.2.1947 -30 °C

Liebe Kinder!

Wieder heißen Dank u. Gotteslohnwünsche für die neue Liebesgabe von 400000,-. Wir denken uns auf euch die Stelle aus dem Talmud angewendet: "Wer Vater u. Mutter ehrt (will offenbar sagen: betreut), dem rechne ich (Gott) es an, als ob Ich bei ihnen gewohnt hätte, und sie Mich ehrten! Ihr müßt also schon bei Gott allerhand große Steine im Brette haben. Was das Altersheim betrifft, haben wir auch hier ein formelles Ansuchen eingebracht und eine, wie wir Grund haben, zu glauben, sehr wirksame Protektion angesprochen. Es kann der Sache nur dienlich sein, wenn man mehrere Hebel ansetzt. Die Vorteile, die uns dort geboten werden, sind folgende:

1.) Bäder. Jeder Pflegling erhält wöchentlich 1 Wannenbad; da jetzt im städt. Bad 1 Wannenbad 16000 Lei kostet, machen unsere 8 Bäder monatlich aus ~ 130000,-
2.) An Wohnung ersparen wir monatlich 70000,-
3.) Jeder Pflegling erhält täglich ½ Brot, sohin monatlich f. uns 30 Brote à 10000,- [=] 300000,-
4.) Heizung monatlich durchschnittlich 350000,-

Transport [Anm.: Übertrag] 1 monatlich 850000,-

Frühstück 2 Glas Milch tgl. à 2 x 1000 Lei, 60000,-
Mittag minimal 2 Portionen durchschnittl. 10000,- x 30 = 300000,-
Nachtmahl 2 Portionen 6000,- x 30 = 180000,-
Wäsche monatl. 30000,-
Bedienung monatl. 15000,-
Licht (elektr.) 5000,-
[Anm.: Total] 1440000

Nicht gerechnet sind, Möbelbenutzung, Gartenbenützung, Arzt u. Apotheke im Krankheitsfalle, Schuhreparaturen, Rasieren. Wir glauben also, eine nach unseren Mitteln möglichst weitgehende Nachgiebigkeit in der Pflegegeldbemessung würde uns nicht benachteiligen. Allerdings ist die Kost (3 Mal wöchentlich Fleisch, sonst anstatt dessen Kartoffel- oder "Nocken[gulyatz"][Anm.: Gulasch]), als knapp zu bezeichnen, Aufbesserung aus eigenen Mitteln ist unumgänglich notwendig. Endlich wird von uns die Zeit erlebt werden, wo ich mich mit der Mutter auf der Gasse zeigen kann, sonst mußte zur Wohnungsbewachung einer v. uns zuhause bleiben. Lieber Julius, aus Obigem ersiehst du, daß wir die Sache genau zu erwägen bemüht sind. Wir hoffen, daß auch du die Vorteile einsehen wirst und bitten dich, unbedingt in Bucuresti ("Joint" [Anm.: Kurzform von American Jewish Joint Distribution Committee] Str. Italiană 1) die Sache energisch zu betreiben. Heute nachts war in Radauti der Frost so nachhaltig, daß unsere Fensterblumen trotz Heizens gar nicht abgehen wollen. Im "Heim" wird der Ofen früh u. abends vom Diener geheizt, die Wärme ist dort gleichmäßig. Tante Guste dankt dir für deine fortgesetzten Bemühungen (sie darf von unserer Altersheimbewerbung nichts wissen) u. hat an dich geschrieben. Ich gehe bei dieser strengen Kälte noch nicht aus u. kann die Mutter im Außendienste noch nicht entlasten. Wie ist die Temperatur bei euch in Bucuresti, wie überwindet ihr den Winter? Wir erhoffen von euch Antwort u. küssen euch, eure Alten

Ing Elias Hauster

P.S. Bitte dringend um Mitteilung, ob "Jawneh" [Anm.: s. Brief vom 14.11.46] schon entschieden hat u. wer der Glückliche ist (nicht Axelrad?).

P.S.1 Es fällt mir auf, denk nur, der [...] sein bekanntes Buch "Lădița cu necazuri" [Anm: rum. "Kummerkästchen"] zwecks Übertragung ins Deutsche und Ebr. [Anm.: Hebr.] mit einem sehr [...] Titelblatt-Autogramm eingeschickt hat: (soeben erhalten): "Domnului Inginer Ilie Hauster, distintului poet si bunului evreu, cu toata prețuirea si afectațiunea autorului A. Axelrad."
Vor 3 Monaten wechselten wir hierüber Schreiben. -
Wie kommt es, daß als Absender auf der Postanweisung Ing. i. Haustner figuriert? Hast du sie nicht selbst ausgestellt?

PS 2 Lieber Julius! Die Ziffern für Heizung sind unglaublich, aber wahr. Der Joint [Anm.: s. o.] hat uns 1 guten m3 [Anm.: Kubikmeter] Holz gegeben, davon zehren wir. Aber dieser Zustand läßt sich unmöglich aufrecht erhalten, du mußt doch endlich von uns etwas entlastet werden, um für dein eigenes Alter zu sparen! Trachte daher unbedingt eine von den 2 Alternativen durchzuführen:

A) Entweder du setzest alle Hebel in Bewegung, um uns ins Altersheim hineinzubringen (hier fürchten wir, daß die durch Fr. Ellenbogen bekanntgewordene Etuva[Anm.: rum. "Wäscherei und Heißmangel"]-Affaire [Anm.: s. Brief vom 07.07.46] ein Hindernis bilden wird)

B) Wenn es nicht zu spät ist, bitte ich dich "Jawneh" [Anm.: s. o.] zu "ordnen", damit ich als Premiat [Anm.: rum. "Preisträger"] ein Palästinazertifikat erhalte u. noch im Frühjahr abreisen kann. Hast du dich bei "Jawneh" [Anm.: s. o.] interessiert??? Schreibe hierüber!!!

PS 3
Die Opfer, zu denen Ihr bereit seid, werden hoffentlich nur pekuniärer Natur sein.

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