06.04.48: Das beste Mittel, eine Sorge zu vertreiben, ist eine größere Sorge.

Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):

Radauti 6/4 1948

Liebe Kinder, lieber Julius!

Auf die in deinem Briefe angeschnittenen Fragen eingehend, sei folgendes angeführt:

1.) Rekalkulation Gerber ist schon eingelangt, den Klopot [Anm.: pol. "Sorge"] bist du also los.
2.) Wohnung - Auch Gerber sucht eine Wohnung für sich - schlechterdings nicht zu finden. Wenn er das schon erklärt …. Ich habe ihn beauftragt, auch für uns zu suchen u. habe auch andere Mäkler [Makler] angesprochen. Die Sache steht so, daß, wer nach Pal[ästina]. […]fährt, bis jetzt - ganz miserabel - gewöhnlich bei Verwandten unterbracht war. Was staatl. Wohnungen betrifft, habe ich sogar Arier sich beklagen gehört, daß die adm. bunurilor [Anm.: rum. "Staatsgüterverwaltung"] jetzt keine Wohnungen frei hat. Da wir jetzt Nahrungssorgen haben, indem sich die Pension als zum Leben unzureichend erweist, ist uns die Lust an Wohnungsänderung gänzlich vergangen. Das beste Mittel, eine Sorge zu vertreiben, ist eine größere Sorge.

Möbel
Wenn wir hier bei einem Tischler Möbelstücke bestellen - er macht nur Weichmöbel -, dann ist das erste eine Angabe [Anzahlung]. Da hat er mich schon in der Hand, ich muß ihm nachlaufen. Lieferfrist nicht unter 2 Monaten u. wer weiß, was in einer solchen Zeit geschehen kann. Der einzige Weg ist der Gelegenheitskauf, u. da muß es im Dorfe Radauti ohne Lokalblatt ein sehr großer Zufall sein, wenn man von einer solchen Gelegenheit erfährt. Gerber hat mir gesagt, er weiß von 2 Betten mit Einlagen (wahrscheinlich, wie ortsüblich, genähte Strohsäcke), 1 Schrank u. 2 Nachtkisteln, Preis 11000 Lei (1000 hat er wahrscheinlich im Stillen für sich zugeschlagen). Er weiß nicht einmal, aus was für Holz sie sind. Es ist aber nur beim Sagen geblieben, ebenso wie bei Fritz Bardach, der am Platz handelt u. ebenfalls zuweilen von Möbeln gesprochen hat, die zu verkaufen sind. Das sind nicht einmal Luftgeschäfte, das sind Nebelgeschäfte. Auch auf dem Markt ist dann u. wann ein altes, halb zerbrochenes Bettgestell, ohne Brettel u. Einlagen, ausgestellt. Wenn, was fast undenkbar ist, sich hierorts ein Gelegenheitskauf ergeben sollte, dann muß man sprungbereit mit Geld in der Tasche dastehen, denn das sind Momentgeschäfte. Stop: Soeben habe ich durch Nachfrage in einer Trödlerei von einem Weichholz-Schlafzimmer erfahren u. gleich auch besichtigt, eine Palästinafahrerin will verkaufen: 2 Betten ohne Einlagen, 2 Schränke, 2 Nachtkastl, braun gebeiztes Weichholz, Schränke ohne Fächer, Schloßbeschläge etwas lädiert. Sonst Eindruck ziemlich akzeptabel (ein Bett leicht reparaturbedürftig). Preis 6000 Lei, für den Fall der Alijah[Anm.: hebr. "Auswanderungswelle nach Palästina"]-Verzögerung verlangt sie noch für eine Zeit Weiterbelassung eines Bettes u. eines Schrankes, natürlich gegen Rückhalt eines entsprechenden Teiles des Kaufpreises. Dazu käme Vermittlung (vielleicht 500 Lei), Schrankfächer (schätzungsweise 1000 Lei) und genähte Strohsäcke (à 1000 Lei), endlich der Transport (~ 300-500 Lei). Die Alijah [Anm.: hebr. "Auswanderungswelle nach Palästina"] wird voraussichtlich in ~ 3 Wochen stattfinden. Die Wohnung (Zimmer u. Küche) ist über eine Stiege zugänglich, die noch höher ist als bei uns, käme also nicht in Betracht. Jetzt weißt du, lieber Julius, alles Erforderliche. Wir bitten dich, wenn du kannst, uns - abgesehen von deinem Möbelvorhaben - etwas Geld prompt zukommen zu lassen, da wir für Ostern erhöhte Auslagen haben. Wir haben uns schon sommerlich eingerichtet, indem wir die Fußböden haben waschen lassen u. die Küche in Benützung nahmen, wir bewohnen jetzt schon - wie allsommerlich - die ganze Wohnung. Wir müssen aber noch das 2. Zimmer weißigen lassen (das kostet, incl. Kalk, einige hundert Lei). Weinschenker bäckt wieder (Entspannung der Ernährungssituation), so daß die Zentralheizung - ausgerechnet im Sommer - funktioniert. Wir möchten gerne einige kg Zucker à 200 Lei hamstern, doch fehlt uns der nervus rerum [scherzh. "Geld"].

Wir küssen euch, Gotte gebe euch viel Gutes, eure Alten.

Bitte Geldsendung dringlich zu behandeln. Wir haben in der ganzen Wohnung nur 1 Glühbirne (220 Volt). Vielleicht kannst du 2 bringen.