11.02.48: Die g. D. [große Demokratie] ist ausgeblieben.


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):






Radauti 11/2 1948


Liebe Kinder, lieber Julius!

Wir warten u. warten schon die längste Zeit, um von euch zu erfahren, in welchem Zustande das Pakett angekommen ist, um noch eines nachzusenden, ob der Inhalt am Weg nicht vermindert wurde, ob das Gewicht der Butter stimmt, da wir sie teilweise in Butterpapier packten, wie sich die Perlgraupen u. das kleine Brot bewährt haben, ob der Postspagat [Anm.: österr. "Post-Bindfaden"] nicht gerissen hat, etc. etc. Solange wir hierüber nicht im klaren sind, können wir die Sendung nicht wiederholen, da wir die bei der ersten Sendung gemachten Erfahrungen verwerten müssen. Liebe Kinder, wenn euch die Existenz in Bucuresti schwer ist u. Ihr euer Kulturleben mit dem Leben in Radautz vertauschen könnt u. wollt, dann laden wir euch herzlich ein, zu uns zu ziehen, wir werden bei einiger Einschränkung alle von unserer Pension leben können, Ihr habt dann stark verminderte Nahrungssorgen. Kartoffeln haben wir bis zur neuen Ernte. Die Lebensmittel sind hier nicht teuer, 1 Ei 10-11 Lei, bei großem Angebot sogar 6-7 Lei, Kalbsfleisch in jeder gewünschten Menge täglich, 150 Lei/kg. Kurzum: bei so tüchtigen Hauswirten, wie Ihr es seid, glauben wir, es wird reichen. Die g. D. [Anm.: große Demokratie] ist ausgeblieben, solche Sachen sind Hypothesen, die zutreffen können, oder auch nicht. Ich hätte auch andere Vorschlagsvarianten: Du suchst dir einen Fabriksleiterposten mit Naturalwohnung, u. wenn wir dir nicht lästig sind u. deine Naturalwohnung einen separaten Raum für uns hat, können wir auch hinziehen u. unser Wirtschaftsgeld zu dem euern tun. Oder aber du gründest eine Rumänisch-palästinensische Aufbaukooperative, die in Rumänien schnell montierbare Holzbaracken herstellt u. zerlegt nach Palästina exportiert. Da muß ein Abkommen mit den zionistischen Zentralstellen behufs Absatzsicherung getroffen we rden. Bei dem zu gewärtigenden Massenandrang an "Olim" [Anm.: Juden, die nach Israel auswandern] wäre so etwas sehr aktuell. Du könntest dann in Palästina die techn. Agenden [Anm.: österr. "Obliegenheiten, Aufgaben"] leiten u., je nach der Sachlage, uns anfordern. Ein vertrauenswürdiger Holzfachmann wäre hier Josif Kaufmann, der in Timisoara II. Str. Bărnuțiu 24 unter der Firma "Lemnart" eine moderne Möbelwerkstätte eröffnet hat u. den wir von Cernauti aus kennen (Bruder der Fr. Rosenfeld). So, jetzt hast du, lieber Julius, zur Auswahl ein "Schüppel" Vorschläge. Wir möchten nur noch wissen, was euch so in Atem hält (hoffentlich nichts Schlechtes?), daß Ihr zu einem Briefe keine Zeit findet. Wir sind diesen Winter gottlob besser dran, als im Vorjahre, da ich das kalte Wasser als Getränk energisch von meinem Getränkemenü gestrichen habe. Nur Mutter ist im allg. Gesundheitszustande gegenüber dem Vorjahre schwer zurückgegangen, doch habe ich Maßnahmen getroffen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Liebe Kinder! Wenn Ihr euch für den Vorschlag No. 1 entscheidet, dann tut es uns rechtzeitig zu wissen, damit wir das Zimmer (das jetzt als Anlage dient) für euch in Ordnung bringen u. vom Tischler provisorische Bettgestelle (Pritsche) für euch herstellen lassen. Kommt Zeit, kommt Rat für bescheidenes Mobiliar.

Wir bitten umgehend um Nachricht u. küssen euch, eure Alten.

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