15.06.46: Bibelvertrieb namens der Bibelgesellschaft


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):





Radauti 15/VI 1946

Liebe Kinder, lieber Julius!

Ich kann es mir schwer verzeihen, daß ich - zu deinen vielen Inanspruchnahmen - dich noch mit der Lektüre meines Briefes in Anspruch nehme. Aber ich tue es trotzdem, weil der Inhalt auf deine materielle Entlastung durch uns hinzielt u. daher auch für dich von einiger Wichtigkeit ist. Daß wir hungern, hast du schon gehört. Dieser Zustand kann nur durch einen Zuschuß deinerseits beseitigt werden, es sei denn, daß mir die Einfügung in das Erwerbsleben der Gegenwart gelingt. Hierzu mache ich dir, da ich hierbei deiner Mitwirkung nicht entraten kann, einige Alternativvorschläge, die numerisch durch Ideen deinerseits ergänzt werden können:
1.) Du setzest dich in Bukarest dafür ein, mir eine besoldete Vertrauensfunktion des Joint in Radauti zu verschaffen. Die hungernden Repatriierten bedürfen dringend einer Volksküche, dort könnte Frau Ellenbogen ihre Kunst zeigen, allenfalls wäre dann unsere Ernährungsfrage (Hauptsorge) gelöst. Das Czernowitzer Ehepaar Berger, zu erreichen in der Str. Chiru Iliescu 6, Bucuresti, u. dessen Sohn ich in Czernowitz unterrichtet habe, würde sich beim Bruder ihres Schwiegersohnes, dem Jointdirektor Dr. Rosen, gerne für mich einsetzen, u. empfiehlt es sich, wenn dir die Idee zusagt, mit dem genannten Ehepaar Fühlung zu nehmen.
2.) Du verschaffst mir eine Art Mission, nämlich die Vertretung u. den Vertrieb von Bibeln namens der Bibelgesellschaft (Filiale Bucuresti) für die rum. Bukowina. Radauti ist doch Residenzstadt (resedinta Radauti ist der off. Titel), dorthin gehört eine solche Vertretung. Dabei kannst du dich seelenruhig auf meinen v. H. Schnapp erhaltenen Schein berufen. Mit den Bibeln können noch andere Erbauungs- u. weltlich. Schriften vertrieben werden. In der Lage, in der ich bin, verblassen alle relig. Skrupel. Fixum u. Provision, sowie Beistellung der erford. pekun. [Anm.: pekuniären] Mittel seitens der Bibelgesellschaft ist Bedingung.
3.) Du verschaffst mir einen Tabaktrafik. Hierzu sind allerdings Geldmittel zur [erst.] Herstellung eines Chioskes [Anm.: rum. "Kiosk"] od. dgl. erforderlich. Dabei werden auch Zeitungen, Papierwaren, ev. Belletristik geführt. Ich würde hierzu den wegen Geldmangels noch unbehobenen Rückstand an Pension pro 1945 verwenden. Solche Lizenzen werden im Prinzipe an Pensionisten vergeben. - Das Kivuzah[Anm.: Kibbuz]=Projekt sei als N° 4. angereiht.
Die Mutter hat schon den Gipsverband weg u. geht schon in die Stadt, unsern minimalen Einkauf zu besorgen. Um unseren Riemen stark zuzuschnüren, bedürfen wir mindestens nochmals soviel, als meine Pension ausmacht. Frau Ellb. muß auch ernährt werden, was heutzutage keine Kleinigkeit ist. Morgen habe ich an Weinschenker 140000 Lei zu erlegen, im Vereine mit der Viertelmillion anläßlich des Unfalles der Mutter werden wir hierdurch völlig ausge[...], denn wir haben ja auch bis[...] - was man so nennt - gelebt, was ja auch viel Geld kostet! Von den Riesensummen, die bei dir aufgehen müssen, mache ich mir ein ungefähres Bild, ich werde zu Gott beten, daß du sie schaffst u. daß die paarmal Hunderttausend Lei, die du uns sicher schicken wirst, bei dir eine Kleinigkeit sein sollen. Wenn dir aber - wie gesagt - unsere Einfügungsaktion ins Erwerbsleben gelingt, dann bist du entlastet!

Wir wünschen euch alles erdenklich Gute u. umarmen euch, eure Alten.

P.S.
Hast du meinen Bruder schon gesprochen? - Wie steht es mit den Nachforschungen nach d. armen Marzell [Anm.: Maximilian Hauster]? - Apropos, ich könnte hier (vielleicht zus. mit der Bibelvertretung) eine Nachfragestelle des Roten Kreuzes leiten, sie würde sehr stark in Anspruch genommen werden!

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