14.09.47: Der Palast von São Paulo und die Expertise von L. Kunstadt


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):




Radauti 14/9 1947

Liebe Kinder, lieber Julius!

Ihr hattet diesmal mit der Liebessendung von 600 Lei, die wir mit herzlichem Danke erhielten, prophetischen Sinn bekundet, denn am Vormittage sandte ich meine S-O-S-Karte an euch ab u. am Nachmittage suchte uns der Geldbriefträger auf. Von dieser Summe haben wir an Dr. Rachmut, der schon sehr lange wartet, 100 Lei abgeführt. Seine Verwandte aus Bukarest, eine persönl. Bekannte des Käufers der Greif'schen Immobilien, hat bei dieser Gelegenheit der Mutter Fabeldinge aus St. Paulo [Anm.: São Paulo] erzählt. Dort soll ungefähr dasselbe Klima herrschen, wie in Cernauti. Die Dynastie Greif soll dort angeblich in einem mit echten Persern reich geschmückten, palastähnlichen Bau 12-15 Zimmer bewohnen, jedes mit Telephon versehen, livrierte Dienerschaft begegnet dort der Herrschaft mit tiefen Verbeugungen. Es wäre für uns von großer Wichtigkeit, zu wissen, daß falls du Rumänien verläßt, du dich nicht anderswohin wendest, als dorthin, da du dort am besten aufgehoben bist (natürlich in Gesellschaft der l[ieben]. Schella). Vorderhand möchten wir gerne etwas von euch erfahren, wie Ihr dort lebt, ob die in den Zeitungen veröff. Bilder über Riesenschlangenhaufen um 1 kg Kartoffeln, zu warten ab 3 h früh, richtig sind, wie Ihr nebst der Einwechslung [Anm.: Währungsreform vom 15.08.47 mit einem Umtauschverhältnis von Lei 20000 : 1] diese Zustände übersteht. Von mir habe ich nur die Freiheit genommen, dir eine Expertise Kunstadts einzusenden, eines hervorragend tüchtigen Menschen (Rabbinerssohn), der, von mir völlig unbeeinflußt, nach einigen Tagen Studiums der ihm von mir vorgelegten Skripte, in meiner Gegenwart binnen 5 Minuten direkt in die Maschine diese, wie ich denke, vorzüglich textierte Expertise hineinklopfte. Der Sinn ist der, daß ich in Palästina eine nützliche Arbeit leisten könnte, vielleicht findet du einen Ausweg, um auf Grund dieses Gutachtens für uns eine Einreisebewilligung nach Palästina zu erlangen, das departement of immigration [Anm.: engl. "Einwanderungsbehörde"] der Paläst. Regierung teilt jährlich von den 1900 legalen Zertifikaten, cca 400 nach eigenem Ermessen aus. Nötigenfalls sende ich dir eine autor. engl. Übersetzung des Originals ein. Von den Pensionen spricht man, daß wir am 17. d. M. wieder eine kl. à conto-Zahlung erhalten. Heute ist der Neujahr-Rüsttag [Anm.: hebr. "Erew Rosch haSchanah" = "Rüsttag zum jüdischen Neujahr"], wir werden für euer Wohl beten u. küssen euch, das allerbeste zu Neujahr wünschend, eure Alten.



L. Kunstadt
Autorisierter Übersetzer
Radautz - Bukowina
Rumänien

4. August 1947

Literarische Ansicht

Der Unterzeichner ist nach der Lektüre einer langen Reihe von hebräischen Poemen und Gedichten, sowohl Originalwerke als auch Übersetzungen aus anderen Sprachen (Jiddisch, Rumänisch, Deutsch, etc.), die ihm von Herrn Ing. Elias Hauster vorgelegt wurden, zu folgenden Schlussfolgerungen gelangt:

1. Der Autor hat sich die hebräische Sprache bis zur Perfektion angeeignet, verfügt über einen reichen und ausgefeilten Stil, beherrscht die poetischen Formen und hat bemerkenswerte Fähigkeiten als Dichter und gewandter Übersetzer.

2. Bei den Übersetzungen aus anderen Sprachen, hat es der Autor einerseits verstanden, die literarischen Merkmale der Originale zu bewahren und andererseits unter Beweis gestellt, dass er die jeweiligen Sprachen, die den Übersetzungen zugrunde liegen, tiefgehend beherrscht.

3. Unter Berücksichtigung der sehr eingeschränkten Zahl hebräischer Dichter, welche in der Lage sind, Werke aus anderen Sprachen ins Hebräische zu übertragen, glaube ich, dass die Aktivität von Herrn Ing. Hauster auf diesem Gebiet von kultureller Bedeutung ist und einen wichtigen Nutzen für die Entwicklung der hebräischen Literatur hat.

L. Kunstadt [Unterschrift]

Autorisierter Übersetzer, zugelassen an den Gerichten von Radautz

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