28.03.48: Die Schwindelöfen von Czernowitz


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):



Radautz 28/III/1948

Liebe Kinder, speziell lieber Julius!

Im Nachhange zu deinem jüngsten Briefe teilen wir dir mit, daß wir unter den jetzt obwaltenden Umständen (Geldknappheit bei dir und vice versa bei uns) an eine Wohnungsänderung nicht denken können. Übrigens ist die Wohnungsfrage jetzt überall - sogar in Weltstädten wie London - unmöglich zu lösen. Wir müssen die Nachteile der Wohnung: Winterkälte wegen Dünnwandigkeit (40 cm), Zugänglichkeit über eine Bodenstiege und Leistungszwang von Arrestantenarbeiten, Rauch bei wind. Wetter endlich Lage in einem kotigen Dorfviertel - vorderhand in den Kauf nehmen, gegenüber einigen Vorteilen (Billigkeit wegen Mieterschutzes, Geräumigkeit, Helligkeit und Reinlichkeit von Parasiten). Was die Finanzfrage betrifft, lebten wir eine Zeit lang in einer optischen Täuschung, solange noch der Rekalkulationsrückstand reichte. Jetzt, da er langsam (?) aufgezehrt ist, sehen wir, daß wir zumindest diesen Monat mit den Mazzoth [Anm.: ungesäuertes Brot], Wein und Eiern, die Extraausgaben erfordern, nicht reichen werden. Wenn du daher etwas entbehren kannst, dann wird es uns nicht für die Wohnung, sondern für die Verpflegung dienen müssen. Deiner Kritik lassen wir ungehinderten Lauf, denn wer zahlt, der darf „schimpfen“. Die 1000 Lei, die du uns für das 2. Pakett eingesendet hast, sind der Mutter für ihre Zahnprothesenreparatur zustatten gekommen. Nun zu unserem Heizsystem. Wenn ein guter Kachelofen 10-12 Stückl Holz erfordert um gut warm zu werden, u. der andere mit 40 Stückeln noch nicht warm ist, dann kann man mit solch einer Heizökonomie den Hals brechen. Man müßte daher auf Ersatz trachten, wie Ofenvorsätze etc. Das kam daher, daß die Cernautier Firma [Trichter], sobald sie den Setzer beistellte, sich den blauen Teufel um das fachgemäße Setzen kümmerte, wenn nur der Setzer recht billig war und statt der erforderl. Bachsteine Dachziegelbrocken zum innern Auskleiden verwendete. Diese Schwindelfirma bildete mit jedem Baumeister von der Sorte Kakau [Anm.: rum. "căcău" = "Scheißer"] ein Schwindelkonsortium. Wir hatten fortlaufend das Pech, auf solche Öfen zu geraten, mit einer einzigen Ausnahme: in der Str. Mircea Voda laterala [Anm.: rum. "Seitenstraße"], in der Mietwohnung im Hause eines Dr. Mader, wo wir 1 Jahr wohnten, waren ideale Kachelöfen, u. dort verwendeten wir auch gar keine Vorsätze, Blechöfen u. dgl. Aber dann wieder in Str. Gheorghe Lazar, wo in unserer Wohnung (aber nicht im [...] Stock beim Hausherrn Gerber) Schwindelöfen waren. In unserer jetzigen Wohnung ist der Ofen ebenfalls nicht zum "verheizen". Daß Leute von unserem Lebensstandard im Winter womöglich heizen u. kochen vereinigen müssen, liegt auf der Hand. Diese Vereinigung bildet sogar den Gegenstand unzähliger Patente. Nun aber zum Rauch. In der Cernautier Bauordnung, die den Regulamenten größerer Städte nachgebildet ist, heißt es, daß jede Heizgruppe einen separaten Kaminschlauch bis über Dach haben müsse, da sonst eben die Gefahr der Vergasung durch Rauch für die Räume besteht, die solche Schläuche nicht haben, sondern um Auslagen zu sparen, an einen fremden Schlauch angeschlossen sind. Das ist bei uns der Fall, wo unser gemauerter Heizofen u. gezwungenerweise auch unser Blechherd an den von unten kommenden Bäckereischlauch angeschlossen sind - ein Bauschwindel gröbsten Kalibers. Auch in der Cuza Voda 7 unterlief im Hinterhause, nebst den einigen u. sechzig Schläuchen, so ein Schwindelfall. Warum auch nicht, der Baumeister hieß ja Kakau [Anm.: s. o.]! Hier steht als Gelegenheitskauf ein Petrolofen in einer Auslage, Preis 2500 Lei. Ich glaube, es wäre ratsam, ihn anzuschaffen, f. windige Tage, doch fehlt uns hierzu die Investitionssumme. - Wenn du kannst, dann bitten wir dich, uns einiges Geld f. d. osterlichen Extraauslagen zu schicken.

Wir küssen euch, eure Alten.

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