09.11.48: Von heute an ist mir jeder Tag ein von Gott geschenkter.


Elias Hauster an Julius Hauster:




Radauti 9/11 1948

Lieber Sohn!

Für deine Gratulation in Ziffern (1500 Lei) die wir dankend erhielten, möge Gott deinen weiteren Lebensweg zu Glück ebnen. Wenn es Lieder ohne Worte gibt, warum soll es nicht Gratulationen ohne Worte geben? Wir sind nun 44 Jahre - "bis 120" verheiratet, während ich das biblische Alter [Anm.: Geburtstag Elias Hauster 09.11.1878] zurückgelegt habe. Von heute an ist mir jeder Tag ein von Gott geschenkter. Ich sehe immer mehr ein, daß das Schmieden von Reise- u. sonstigen Zukunftsplänen für mich jeden Sinn verloren hat. Vom Gesichtswinkel meines Lebensalters betrachtet man die Dinge ganz anders: Die Zukunft gehört der Jugend, also dir, mein ist das, was mir die Vergangenheit beschert hat: ein buntes Gemisch von Streben u. Erreichen, Fehl und Leid. Gottlob dafür, es hätte schlimmer ausfallen können (mit Ausnahme des armen Marzell [Anm.: Maximilian Hauster], wo es so schlimm ausgefallen ist, daß es ärger nicht hätte sein können). Du hast sehr viel für uns getan, hast uns mit dem herausführen aus dem Ghetto das Leben gerettet u. uns dann später das Leben ermöglichst, was du auch jetzt noch tust. Dank deiner Obsorge schlafen wir auf menschenwürdigen Betten u. haben nun uns menschenwürdige Räume. Dir hat Gott das Glück beschieden, deinen Eltern helfen zu können, ich konnte für meine Eltern nicht soviel tun. Nur die Einsamkeit ist das Los des Alters, die kannst du durch öftere, wenn auch kurze Nachrichten mildern. Wir würden uns sehr freuen, wenn du recht bald wieder eine Ehe eingehen u. einen Hausstand resp. eine Familie gründen könntest u. küssen dich, dein in tiefer Dankbarkeit gedenkend, deine alten Eltern

Bitte um Nachricht über das Los der uns sehr lieben Schella.

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