23.11.46: Indianermischlinge und Eisenbahnüberfälle


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):




Radauti 23/XI 1946

Kartoffeln ehemals 4000,- jetzt 3500,-

Liebe Kinder!

Soeben euere Pakettliebessendung abgeholt, alles stimmt richtig und ist für uns so notwendig gewesen, wie das tägliche Brot. Wir danken euch daher herzlich und verharren in freudiger Spannung auf deinen Besuch, lieber Julius. Wir werden bestimmt nicht schon froh sein, wenn du wegfährst, umsomehr, als wir befürchten, daß dies dein getarnter Abschiedsbesuch ist. Wenn Ihr Rumänien verlasset, was hält uns noch hier? Ein Sohn ist verschollen, soll sich nun der 2. Sohn auf weltferne Reisen begeben? Ein einsames Alter und ein ebensolches Sterben wird dann unser Los sein. Da würde ich es schon vorziehen, nach Palästina zu fahren, mit spezieller Bewilligung des Finanzministeriums ist es möglich, auch dort die Pension zu fassen (für je 3 Monate). Nur müßte ich mir als rum. Staatsangehöriger einen Pass machen (ebenso die Mutter), und die erforderlichen Durch- resp. Einreisevisen erhalten (zur Seefahrt brauchen wir nur das Einreisevisum). Ob ich dann mit Emigrantenzertifikat, das mir die Gratisüberfahrt sichert, fahren kann (sonst wäre die Reise für die Meisten unerschwinglich), wäre noch zu erwägen. Auch Ihr müßt euch die Sache reiflich überlegen, ehe Ihr in das Land der verbrecherischen Indianermischlinge (alle Banditen) und Eisenbahnüberfälle fahret, und ob Ihr das Tropenklima und die Mosquitos ertragen könnt. Das viele Geld, das eine solche Reise kostet, und die lange Zeit, welche für die Erwerbstätigkeit nicht verwendet wird, wären dann verloren, auch wenn Ihr - günstigenfalls - die Rückreise antreten könnt, abgesehen von den sonstigen Unberechenbarkeiten einer solchen Reise. Wäre es nicht besser, du verschaffst dir, für Palästina die Vertretung einer Baufirma, die in 48 Stunden Wohnhäuser aufbaut? So etwas gibt es schon, wie die Zeitungen schreiben oder Ihr gründet - mit Beitrag von Geld oder Mitarbeit - sonst in Palästina irgendeine auf Export berechnete Fabrik, z. B. Klebstoffe oder Zitrusverwertung zu ätherischen Ölen etc. wofür ja Herr Muniu die erforderlichen Vorkenntnisse besitzt? (Klebstoff macht man aus Rosskastanien, selber ist sehr teuer u. gesucht). Auch Grundspekulation für Bauparzellen wird in Schwung kommen, in Palästina ist eine Hausse in Bodenpreisen zu erwarten, das wäre etwas für Herrn Loniu. Wir kommen dann alle dort in einer Siedlung, die wir "K’far [Anm.: hebr. "Dorf"] Greif" nennen wollen, zusammen .... Wozu Reichtümer in nebelhafter Ferne suchen, wenn sie auf viel ungefährlichere Weise, mit weniger Aufwand u. Risiko, näher erreicht werden können? "Kauft in Palästina Grund u. parzelliert ihn", ertönt allgemein die Losung. Es ist ganz gut denkbar, lieber in Rumänien mit Verlust zu verkaufen, dafür aber in Palästina mit Gewinn zu kaufen, oder in Rumänien seine Liegenschaften zu belehnen u. Palästinaboden zu kaufen, etc. etc. Entschuldigt meine geschäftliche Exkursion, man hört ja bekanntlich verschiedene "Exes", tut aber, was man für vorteilhaft hält. Möge Gott mit Euch u. den Euren sein u. jedwedes eurer Unternehmungen gelingen lassen.

Wir küssen euch

Eure Alten

Ing E. Hauster

Besond. Dank f. d. Zeitungen Tante Gusta dankt u. grüßt herzl.

P.S. Ich habe meinem Freunde, dem Bukar. Dichter Axelrad geschrieben, wenn er mir etwas Wichtiges mitzuteilen hat, an dich zu telefonieren. (Dichter sind Portosparer!) Empfehlenswertes Buch über Amerika (wenn auch Mexico), - B. Traven, der Schatz der Sierra Madre (Verlag der Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931) Vielleicht kannst du mir ein rum.-deutsches Taschenwörterbuch (antiqu.) mitbringen, ich bezahle es gerne bar. Rekomm[Anm.: Einschreibe]-Brief erhalten.

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