14.11.46: Der Jawneh-Orden


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):




Radauti 14/XI 1946

Liebe Kinder!

Gestern wurde uns eure Liebesgabe in Bargeldform zugestellt. Eine Kopie des Empfangsrezepisses [Anm.: Empfangsquittung] über den Betrag von 350000 Lei übermittelte ich gleich (in Gedanken) an das himmlische Buchhaltungsbüreau mit dem Ersuchen, euch in den dortigen Büchern diese Summe nach dem dort geltenden, tabellarischen Aufrechnungsschlüssel (1:10000) gutzuschreiben und, wie gebührend, an eure Bukarester Adresse postwendend zu expedieren. Ich hoffe, daß dortseits die Angelegenheit exakt abgewickelt wird. Nun, da du mir gestattet hast, dir über Erfindungen, Gedichte und ähnlichen Schnickschnack zu schreiben, teile ich dir in folgendem eine Sache mit, die du aufnehmen kannst, wie es dir paßt - vielleicht als wirksame Schlaflektüre. Das jüd. Institut "Jawneh", eine Art Akademie, schrieb einen Preis für die schönste, ebr. [Anm.: hebräische] Poesie in der Höhe von 300000 Lei aus - eine Bagatelle, jedoch Prämiat der "Jawneh" zu sein, noch dazu für ebr. [Anm.: s. o.] Poesie, ist ein geistiger Adelstitel. Das Sujet mußte aus dem jüd. Leben sein. Ich stutzte daher Huckepack 35 Gedichte (ebr. [Anm.: s. o.]) für das jüd. Leben zu und sandte sie unter einem Losungswort (dasselbe samt Namen u. Adreße, separat in verschlossenem Kuvert) ein. Als Absenderin figurierte Golde Weber-Ellenbogen (das hat keine Bedeutung). Mein Losungswort lautet: "Ozar Zacharutim" ("Reimwörterbuch"). Der Termin lief Mitte Juni ab u. wurde dann bis Mitte August verlängert, vielleicht, weil ich der einzige, zeitgerechte Einsender war. Es scheint aber, daß Motive landesüblicher Natur die Beschlußfassung bis zum heutigen Tage verhindert haben. Der Sitz der Gesellschaft "Jawneh" ist: Bukarest, Str. Popa Rusu, 30. Wenn die Sache bei dir ein Telephongespräch wert ist, dann würde ich dich bitten, da nachhelfend einzugreifen, eventuell 100000 Lei für "Manipulationsspesen" zu versprechen. Mit dem Rest würde ich dann meine Restschuld an Rosenblatt definitiv decken können. Vielleicht gilt es bei dir etwas, wenn du später einmal, bei einem guten Glase Wein, deinem Zischkumpanen sagen kannst: "Sie, wissen Sie, mein Alter war Preisträger der "Jawneh" für ebr. Poesie! Na, Prosit!"

Die "Jawneh", der ich übrigens vor ~ 5 Wochen die Herausgabe meines ebr. [Anm.: s. o.] Reimwörterbuches erfolglos anbot - jetzt korrespondiert man nicht viel herum, sondern erledigt solche Zuschriften nach dem Grundsatz: Keine Antwort ist auch eine Antwort - hat in Radauti (ebenso wie in jeder größ. Stadt) einen ständigen Korrespondenten, den Apotheker Dr. Mechel, den man nie in seiner Apotheke trifft. Vielleicht kannst du gelegentlich ob erwähnten Telephongespräches anfragen, ob mich die "Jawneh" nicht auch zum ständigen Korrespondenten für Radauti nebst Dr. Mechel bestellen möchte. Ich hätte so wenigstens die Gewähr, daß sie mir auf meine Zuschriften antwortet. Nun schreibt uns, liebe Kinder, etwas über euch u. euer Wohlergehen.

Wir küssen euch u. beten für euch, Eure Alten.


Ing. E. Hauster

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