24.05.48: Die große jüdische Staatsgründungsfeier


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):




Radauti 24/5 1948

Liebe Kinder, lieber Jul!

Heute endlich euren lieben Brief erhalten u. daraus die uns sehr interessierende Tatsache entnommen, daß du Palästina als Lösung mit in Betracht ziehst. Hier war gestern eine große jüd. Staatsgründungsfeier, einer der Redner soll gesagt haben, die Auslandsmacht, die bisnun für die Sache soviel geleistet hat, wird der Sache bald zum guten Ende verhelfen u. "wird dann unser Nachbar sein". Welche interessanten, geogr. Änderungen mögen sich wohl dahinter verbergen? Möglicherweise ist das nur ein "Schmuß". Beiliegend findet du einen Brief der Tante Gusta, u. bitten wir dich, ihrem Drängen nachzugeben u. ihr alle Pensionspapiere incl. Pensionskarnett expreß einzuschicken, da sie in eine prekäre Situation geraten ist. Ich werde ihr mitteilen, daß sie auf eine Monatspension von 3100 Lei, wie du mir hier sagtest, rekalkuliert wurde. Die Sache mit dem dortigen Kaufmann ließe sich ja machen! Was Marzell [Anm.: Maximilian Hauster] betrifft, die Mela[nie] konnte sich um diese Affaire nicht kümmern, sie hatte ihre eigenen Sorgen. Die Gestapo hat sich, wie wir voraussehen hätten sollen, den blauen Teufel um das Befreiungsgesuch geschert. Das einzig Richtige wäre eine Einberufung zur Munca [Anm.: rum. "Arbeit", verm. Arbeitsdienst], die ich mir hätte ausfolgen lassen u. dann an das Konsulat einschicken sollen. Ich mache mir nur Vorwürfe, daß ich auf diese einfache Lösung nicht gekommen bin. Andererseits, wenn er sich zur Munca [Anm.: rum. "Arbeit", verm. Arbeitsdienst] präsentiert hätte, war die Gefahr vorhanden, daß er als Kriegs-Militärflüchtling ohne viel Federlesens erschossen wird. Es frägt sich, wie es anderen, in ähnlicher Lage befindlichen ergangen ist, ob man überhaupt nach Militärdienst gefragt hat. Das können wir jetzt alles erwägen, wenn es zu spät ist, damals waren wir unter der Wucht der Ereignisse zu zerfahren hierzu. Ich habe mich an die paläst. Jewish Agency for Palestine Search Bureau for missing relatives, P. O. B. 92, Jerusalem, unter Rückscheinbeilage mit der Bitte gewendet, auf geeignetem Wege unter den Überlebenden aus Auschwitz, deren es dort (ebenso wie auf Cypern) viele geben soll, nachzuforschen, ob einer von ihnen zufällig sein weiteres Schicksal kennt. Aber der arme Verschollene hat auch hierin Pech: gerade wenige Tage nachher wurde Palästina von allen Seiten [...] u. steht in Flammen. So daß es sehr fraglich ist, ob der Brief in das Postsafe P.O.B. 92 gelangt. Ich träumte diese Nacht von ihm, daß er noch klein war u. ich ihn küßte. Vielleicht bist du so gut u. wiederholst die Anfrage auf Französ. od. Englisch? (ich schrieb über Anraten des Kultussekretärs, der mir die Adresse gab, [h]ebräisch). Doch müßtest du bis zur Pazifizierung [Friedensschluss] warten. Was Diskretion unter den Hausleuten [Vermietern] betrifft, kannst du dich auf uns verlassen. Von Fr. Ellenbogen stammt die Nachricht unter ihren Tratschbekannten, Ihr wollt nach Eretz [Land Israel]. Wir stellen das entschieden in Abrede.

Wir wünschen euch alles Gute u. küssen euch, eure Alten.

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