07.03.48: Der große Demokrat, Völkerbefreier und Selbstbestimmungswächter!


Elias Hauster an Julius und Rachel Hauster (Greif):




Radauti 7/3 1948

Liebe Kinder, lieber Jul!

Heute euer Telegramm erhalten, u. wundert es uns, daß Ihr unsern Brief nicht bekommen habt: das dürfte inzwischen nach Telegrammabsendung schon geschehen sein. Bei uns ist nichts Unangenehmes vorgefallen. Wir haben eine Wohnung besichtigt: Parterre, Fenster in eine Hofveranda (indirektes Licht), 1 große Küche u. 1 kleines, dunkles Zimmer, ohne Garten, in der Str. Putnei (vis a vis der Kißmann-Trafik). Preis 1500 Lei monatlich. Angesichts solcher Wohnungspreise u. solchen Wohnungsmangels, noch dazu wir ohne Möbel, mit unseren ärmlichen Pritschen, die uns H. Weinschenker gewiß gerne überlassen würde, um uns loszuwerden, so ein Umzug würde bei der Umwelt eine sehr deprimierende Wirkung auslösen. Hier wird jeder bis in den Magen hinein beguckt. Soweit hat uns der große Demokrat, Völkerbefreier u. Selbstbestimmungswächter gebracht, der uns nach völliger Ausplünderung u. Aussaugung aus unserem Heim verjagte. Wir werden in diesem Frühjahre versuchen, in Solka (Luftkurort) ein Zimmer aufzutreiben, um dort unsern ständigen Wohnsitz aufzuschlagen, aber nur Parterre mit Garten. Jetzt hört man, daß in Cernauti das Leben sehr billig geworden ist, mit 1 Rubel kann man 1 Tag leben. Bis es so wurde, wären wir längst Hungers gestorben, wenn wir nicht davongelaufen wären. Mutter ist sehr schwach u. liegt den ganzen Nachmittag, auf der Pritsche ausruhend. In Solka würden wir vielleicht keine Küche führen, sondern uns im Kurrestaurant beköstigen. Das Büffet in der staatl. Kuranstalt wird vom Cernautier wohlbekannten Kafetier [Sordoc] geführt. Vielleicht kannst du aber für uns im Bucurestier Elizabeten (Altersheim) 2 Plätze durchsetzen, dort wird jetzt ein neues Stockwerk für noch 150 Pfleglinge zugebaut. Dort würden wir Bad, Radio, Kino, etc. haben, aber, was die Hauptsache ist, von der Last des Selbstverpflegens, wie vor 10000 Jahren bei den Pfahlbautenbewohnern, enthoben sein. Bitte mir ausdrücklich zu schreiben, ob du um cetatenie [Anm.: rum. "Staatsbürgerschaft"] eingeschritten bist, ich bin sonst sehr beunruhigt (letzter Termin 30. April 1948).

Wir küssen euch, eure Alten.

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