23.08.48: Mahnung aus Czernowitz


Schreiben an Elias Hauster:




C[zernowitz]. 23/8 948

Euer Wohlgeboren.

Mit Schreiben vom 23.8.948 habe ich Sie ersucht, die mir gebührende Summe von 2100 (zweitausend ein hundert) R[ubel]. meiner Schwester Sabina Schärf nasc. [Anm.: rum. "geb."] Kinbruner, Câmpulung-Mold[ovenesc]. str. Popovici 6 zu übermitteln, damit sie in der Lage ist, eine Forderung in ungefähr gleicher Höhe, die eine gewisse Frau Malski gegen mich ansteht, zu begleichen. Ich habe Sie ersucht im Laufe des Monats September [1]948 diese Angelegenheit in Ordnung zu bringen und mich hiervon in Kenntnis zu setzen. Ich erwarte mit Ungeduld den diesbezüglichen Bescheid von Ihnen oder meiner Schwester. Ich gebe mich der festen Hoffnung hin, dass Sie mir nicht Veranlassung geben werden, mich weiter mit dieser Angelegenheit zu befassen. Grüssend N. Kinsbrunner

[Anm.: Diese Karte von Herrn Dr. Nathan Kinsbrunner traf, wenn man die Poststempel berücksichtigt, etwa im November 1948 bei Elias Hauster in Radautz ein. Dazu finden sich in der Korrespondenz von Elias Hauster drei Unterlagen: 1. Protokoll einer Wohnungübergabe vom 20.09.45, 2. Kopie eines Schuldscheines vom 04.04.46, 3. Briefentwurf für ein Erwiderungsschreiben an Herrn Dr. Nathan Kinsbrunner.]



1.

Am 20/9 1945 übergab ich dem Dr. K[insbrunner]. eine Wohnung v. 2 Z[immer] u. K[üche] [Anm.: verm. Eigentumswohnung in der Sf. Treimistr. 36/a], unter der Bedingung, daß ich dafür bis zu meiner Abreise provisorisch in einem Durchgangszimmer samt Küche zusammen mit einer anderen Partei logiere. Von einer Zinszahlung f. d. Zeit v. 1/4 1944 - 1/4 1946 war nicht die Rede, weil eben die Wohnung an H. u. Fr. Tamara für einen größeren Betrag vergeben wurde, aus dem er sich für meinen Zins schadlos hielt. Vor meiner Abreise jedoch trat H. Dr. K[insbrunner]. als Zinsgläubiger auf u. deutete an, daß er im Falle der Nichtzahlung unsere Habseligkeiten zurückhalten wolle. Ich war daher in der Zwangslage, ihm einen Zinsschuldschein zu unterschreiben. Daß als Erfüllungsort Rumänien angegeben wurde, geschah auf sein Verlangen, ohne Kenntnis der Devisen- u. sonstiger Gesetze meinerseits, die in R. [Anm.: verm. Russland] galten. Der Zins wurde von H. Dr. Kohne behördl. Kontrolle fixiert, bei der Steuerbehörde hat er einen anderen Zins fatiert [Anm.: österr. veralt. "in seiner Steuererklärung abgeben"]. Schon vorher habe ich Herrn Dr. K[insbrunner]. die Verwaltung der 2 Eigenhauswohnungen [Anm.: verm. Eigentumswohnungen in der Sf. Treimistr. 36/a und Cuza Vodă 7] mündlich übertragen, u. hat er die Möglichkeit gehabt, sich für seine Forderung durch Mietzinsinkasso bei den Wohnparteien dieser Wohnungen schadlos zu halten. Aber außerdem hinterließen wir ihm bei unserer Abreise ein Inventar, dessen Wert die Zinsforderung bei weitem übersteigt, u. zw.

1 Schlafzimmerampel 400,-, 1 Speisezimmerlüster 800,-, 3 Lichtpendel 300,-, 1 Zugpendel 150,-, 1 el. Bügeleisen 500,-, 1 el. Bestrahlungslampe 150,-, 1 el. Kocher 200,-, (1 Elektrizitätszähler), 5 m Litze mit Steckern 120,-, 1 el. Nachtkastllampe 200,-, 4 el. [...] 400,-, 1 el. Armleuchter 100,-, 10 Glühbirnen 150,-, 1 gr. Waschtopf 300,-, 1 kl. Waschtopf 150,-, 2 Porzellanlavoirs 300,-, 2 Porzellan[...] 300,-, 1 Wäschemangel 100,-, 1 Kehrbürste 100,-, 5 Rahmen samt Glasscheiben 300,-, 3 Blechöfen 300,-, 1 Chamotteofen 1000,-, 3 m Ofenrohr 150,-, 1 Ofenknie 50,-, 1 Emailkübel 200,- *), 1 Hängeschloß 50,-, 50 Bücher 1500,-, 3 m gebrauchte Leinwand 240,-, 10 Schrauben 10,-, 20 Schlüssel 400,-, 6 Farbstifte 12,-, 1 Irrigator kompl., 1 vernick. Irrigator ohne Schlauch 100,-, 1 Suppen[...] mit Deckel aus Porzellan 100,-, 1 Leibschüssel Porzellan 100,-, *) 1 gr. Petrolkanne 10 lit., 1 kl. Petrolkanne 4 lit., 3 Glasboutailles (à 5 l) 60,-, 20 Literflaschen 200,-, 1 Holzsäge 100,-, 1 Holzhacke 100,-, Backpfannen 100,-, 10 Kochtöpfe 100,-, 2 Blechkübel 80,-, 1 Primus 300,-, 1 Teppichklopfer 70,-, 1 Kehricht- 20,- 1 Kohlenschaufel 20,-, 1 Reisbesen 50,-, 2 Tintenfaß 300,-, 1 Nudelbrett 30,-, 1 Nudelholz 10,-, 1 Holzhammer 20,-, 1 Kokosmatte 100,-, 1 Eishacker 100,-, 1 Petrol-Wandlampe 100,- 1 gr. Petrolkanne 10 l, 1 kl. Petrolkanne 4 l, 1 Kurvenlineal 10,-, 1 Reißschiene 30,-, 2 Dreiecke 20,-, 1 Reißbrett 40,-, 5 m Schlauch 500,-, ∑ 11.690,-

Endlich hat er sich schriftlich verpflichtet, uns ein Eisenbett (800,-), das wir ihm zur Benützung überließen, bei der Abreise auszufolgen, was er aber im letzten Momente glatt verweigerte. Dadurch war ich gezwungen im Serether Kasernenlager auf Steinfliesen zu schlafen u. verkühlte mich dabei, an dieser Erkrankung leide ich noch jetzt, u. verursachte mir ärztliche Behandlung u. Medikamente, Kosten, welche die Zinsforderung überstiegen. Zu bedenken ist auch, daß inzwischen der Rubel eingetauscht wurde u. dementsprechend auch die Forderungen zu reduzieren wären. Eine diesbez. Regelung ist abzuwarten. [...]





2.

Copie Herrn Dr Nathan Kinsbrunner Cernauti

Wir Endesgefertigten Ing. Elias Hauster u. Marie Hauster schulden Ihnen an Mietzins für die Zeit vom 1. April 1944-1. April 1946 den Betrag von 2100 Rubel (zwei tausend einhundert) und verpflichten uns solidarisch, die oberwähnte Summe zum offiziellen Kurse in Rumänien zu Ihren Händen zu begleichen.

Cernauti 4. April 1946

Ing. Elias Hauster S.S.
Marie Hauster S.S.
Identisch mit dem Original:
Dr. Kinsbrunner S.S.

3.

Herrn Dr. Nathan Kinsbrunner, Cernauti

Zu meiner großen Verwunderung stellte mir vor wenigen Tagen die Post eine von Ihnen gezeichnete Korrespondenzkarte (mit dem Abgangsdatum 23/8 d. J.) zu, deren mir völlig unverständlicher Inhalt in eine Drohung [ausklingt]. *Form u. Inhalt dieser Karte sollten mich eigentlich jeder Antwort an Urheber solcher Korrespondenzen entheben. Da Sie aber […]klärungen gewisser Natur zu benötigen scheinen, lasse ich mit Rücksicht auf Ihre einst guten Beziehungen zu mir dieser Einleitung nachstehende Zeilen folgen, [Anm.: Text durchgestrichen "mit dem Ersuchen, dieselben als Schlußpunkt eines"] solchen Briefverkehrs mit Ihnen zu betrachten. *Es scheint da eine Verwechslung vorzuliegen, da auch Gasse u. Hausnummer unrichtig sind [Anm.: Kinsbrunner hatte an die Adresse von Fritz Bardach, Strada Norocului 25, Rădăuți, geschrieben.].

1) Mit der Aufwertung des Rubels auf das Zehnfache des früheren Wertes sind auch Schuldforderungen von Kapitalisten (Hausbesitzer u. dgl.) auf den 10 Teil automatisch reduziert worden, was auch logisch ist, da sonst bei solchen Elementen eine Valutaspekulation übelster Art einreissen würde. Nach Meinung informierter Faktoren aus USSR ist sogar der bloße Versuch einer solchen Spekulation (Schuldrückforderung in der alten Höhe unter Ignorierung der Aufwertung) straffällig u. wird zumindest mit der Deportation nach Nordsibirien quittiert.
2) Zahlungen, direkt oder indirekt, an Auslandspersonen dürfen nur durch die Nationalbank erfolgen, wo die nötigen Valuten oder Devisen motiviert anzusprechen sind. Jede andere Art der Kompensation wird als verbotener Devisenhandel an der Schwarzbörse, also als Devisenschmuggel, angesehen u. von den Sabotagegerichten streng bestraft, die gehandelten Summen verfallen der Konfiskation.
3) Wie Ihnen genau bekannt sein muß (Ihre […] Verwandten teilten Ihnen dies ausdrücklich mit), hat die Dame, von Ihnen Frau Malski benannt, für die bei Ihnen hinterlassene Rubelsumme bereits den Gegenwert in Leiwährung (auf Ihre Bestellung hin in [...] ausgezahlt) erhalten. * Das scheinen Sie beim Schreiben Ihrer Karte übersehen zu haben, denn sonst müßte ich Ihre Berufung auf diese angebliche Forderung der Frau Malski als eine [Anm.: Text durchgestrichen "bewußt falsche Vorspiegelung"] ansehen.
Sie werden gut tun, diese Begebenheit ad 3) nicht an die große Glocke zu hängen, da Sie sonst Ihre Verwandten, die brave, biedere Leute sind, in eine sehr unangenehme Situation bringen würden.
4) Jedes Übereinkommen auf ungesetzlicher Basis ist null u. nichtig. Hingegen wird allgemein eine gesetzliche Regelung der gegenseitigen Schuldenbegleichung an ehemals feindlichen Staaten, resp. von denselben, erwartet, und wird eine allfällige Verjährungsfrist vom Erscheinen der diesbezüglichen Verordnung an zu rechnen sein. Dies ist auch der Grund meines geduldigen Zuwartens mit der Einbringung der Forderung auf den Betrag von … Rubel, den ich bei Ihnen, zufolge der Hausgeräte u. Materialien, die ich in der von Ihnen übernommenen Wohnung zurückließ, guthabe, u. zw.: ….
Bezüglich des Eisenbettes, das herauszugeben Sie vertragsbrüchigerweise glatt verweigerten, wodurch ich mir eine Erkältung zuzog, unter der ich noch jetzt leide, behalte ich mir spezielle Entschädigungsansprüche vor.
*Weil es damals in Verwendung einer Wohnpartei war, von der Sie Nutzen zogen.

*Welcher Leibetrag im Wege einer zu Ihren Gunsten durchgeführten kapitalistischen Aktion (Landereienverkauf) beschafft wurde.

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